Gesunder Fortschritt
Moderne Technik macht es möglich: Die Smart Watch zeigt Blutdruck und Herzfrequenz an, Blutproben werden vom Hausarzt vor Ort ausgewertet und der MRT-Scan findet direkt in der Facharztpraxis statt. Für die aktive Lebensgestaltung, für die Früherkennung von Krankheiten und für deren Behandlung spielt Gesundheitstechnologie eine entscheidende Rolle.
Das Gesundheitsverständnis vieler Menschen hat sich durch die Digitalisierung und moderne Technologien stark verändert. Vor allem die einfache Selbstüberwachung durch tragbare Geräte zur Messung von Körperfunktionen (sog. Wearables) hat die Gesundheit von einer vorwiegend ärztlichen Angelegenheit zur alltäglichen Routine gemacht. Aber auch insgesamt findet eine Verlagerung von der reaktiven Gesundheitsfürsorge hin zu einer stärker präventiven Haltung statt, da potenzielle Gesundheitsrisiken besser vorhergesehen und abgemildert werden können.
Ein wichtiger Faktor ist dabei, dass neben Fitnesstrackern und Smart Watches auch das technische Equipment in Arztpraxen und Kliniken immer handlicher und leistungsfähiger wird. So ist zum Beispiel der Fortschritt in der patientennahen Sofortdiagnostik (Point-of-Care-Testing) nur durch leistungsstarke Analysegeräte möglich. Und in der klinischen Behandlung verbessert moderne Medizintechnik die Wirksamkeit von Therapien und verringert ihre Dauer.
Die Grundlage für die Weiterentwicklung der Gesundheitstechnik, sowohl für den privaten als auch für den professionellen Bereich, ist die Verlässlichkeit und Robustheit medizinischer Geräte und der darin verbauten Komponenten. Von den technischen Entwicklungen profitieren Menschen in allen Lebensphasen – für ein gesundes Leben, zur Vorbeugung, für Diagnose sowie Behandlung bis hin zur Rehabilitation (s. Grafik, l.).
Wearables als Wachstumsmarkt
Das Gesamtmarktvolumen für Smart Watches und Fitnessarmbänder schätzt „Statista Market Insights: Digital“ bis 2027 auf mehr als 90 Milliarden US-Dollar, was eine Verdopplung innerhalb von fünf Jahren bedeuten würde. Die Hersteller, meist Tech-Unternehmen wie Apple, Xiaomi und Samsung sind dadurch zu relevanten Playern im Gesundheitsbereich geworden.
Das Erfassen körperlicher Parameter wie Blutsauerstoff und Puls während des Sports ist heute für viele Menschen selbstverständlich
Michael Snyder, Genetik-Professor an der Stanford University, sieht darin großes Potenzial. Milliarden von Menschen besäßen weltweit ein Smartphone, „wenn man das mit einer 50-Dollar- Smartwatch kombinieren könnte, hätte man ein Gesundheitsüberwachungssystem“. Durch die höhere Genauigkeit der Messungen sowie die Zertifizierung bestimmter Funktionen als Medizinprodukte gewinnen Wearables zunehmend an Relevanz für die medizinische Forschung und Praxis.
Dies bestätigt auch Jamie Robertson, Co-Direktorin des Programms Foundations of Clinical Research der Harvard Medical School: „Wearables machen es viel einfacher als je zuvor, biologische Messungen von Menschen während einer Studie zu erhalten.“ Auch die Vielfalt der Anwendungen wächst stetig – damit entstehen neue Chancen für die Früherkennung von Krankheiten. Neben den klassischen Parametern wie Herzschlag, Blutdruck oder Körpertemperatur kann heute bereits die molekulare Ebene des menschlichen Körpers erfasst werden.
Beispielsweise mittels elektrochemischer Schweißsensoren, die den Blutzucker, den Elektrolyt- oder den Flüssigkeitshaushalt des Körpers tracken. Professor Snyder glaubt an noch mehr Möglichkeiten der Analyse durch Wearables: „Infektionskrankheiten, Anämie, sogar Diabetes Typ II. Und in der Zukunft, da bin ich mir ziemlich sicher, gibt es noch andere Dinge, wie zum Beispiel Herzkrankheiten.“ Laut Snyder versuche man auch herauszufinden, ob die Geräte Krebs erkennen könnten.
Ein ebenfalls wichtiger Indikator für die Gesundheit ist der Atem – mit etwa 3.000 darin enthaltenen flüchtigen Substanzen. Nach der Aufnahme von Kohlenhydraten steigt sein CO2-Gehalt zum Beispiel stärker an als nach der Aufnahme von Fetten. Dies kann genutzt werden, um anhand der Atemluft den aktuellen Zustand des Stoffwechsels zu bestimmen und auf dieser Basis einen Ernährungs- und Bewegungsplan auszuarbeiten, der zum Beispiel die Gewichtsabnahme erleichtern soll.
Das Erfassen körperlicher Parameter wie Blutsauerstoff und Puls während des Sports ist heute für viele Menschen selbstverständlich
Entwicklung individueller Materialien
Die für solche Anwendungen zum Einsatz kommenden Geräte und Sensoren müssen unter anderem dem ständigen Hautkontakt oder mechanischen Belastungen durch Erschütterungen und Vibrationen standhalten. Wevo bietet hierfür maßgeschneiderte Lösungen, welche die Lebensdauer der Elektronik deutlich erhöhen, ohne dabei den Tragekomfort einzuschränken. Auch für die Entwicklung und Herstellung moderner Medizintechnik für Krankenhäuser und Arztpraxen sind innovative Materialien unverzichtbar. Wevo-Materialien bieten zuverlässigen und langfristigen Schutz für empfindliche Komponenten. Ihre äußerst hohe Beständigkeit gegen wirksame und daher aggressive Desinfektions- und Reinigungsmittel ist eine wichtige Voraussetzung, um die Keimfreiheit medizinischer Geräte sicherzustellen.
Innovative Diagnostik
Für Technologien im Bereich der bildgebenden Diagnostik gehören neue und verbesserte Materialien ebenfalls zu den Schlüsselkomponenten. Stärkere Magnetfelder lassen, in Kombination mit Künstlicher Intelligenz, eine höhere Bildauflösung zu.
Dadurch werden Mikrostrukturen erkennbar, welche die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung unterstützen. Zusätzlich dauert die Untersuchung nur noch halb so lange wie zuvor.
Durch kleinere, leichtere und somit mobile MRT-Scanner können Untersuchungen ortsunabhängig durchgeführt werden. Die Geräte „werden in den USA beispielsweise vorwiegend in ländlichen Regionen genutzt. In Großbritannien kommen sie oft in Ballungsräumen zum Einsatz, um Wartezeiten bis zur Untersuchung zu verkürzen“, erklärt Andreas Schneck, Leiter der Sparte Magnetresonanztomographie (MRT) bei Siemens Healthineers.
Neben Siemens Healthineers gehören mit Medtronic, Johnson & Johnson und Fresenius etablierte Hersteller aus den USA und Deutschland zu den führenden Unternehmen im Bereich der technischen Medizin (s. Grafik, l.). Laut MedTech Europe, dem europäischen Fachverband der Medizintechnik-Industrie, wird allein der europäische Markt für das Jahr 2022 auf circa 160 Milliarden Euro geschätzt. Mit einem Weltmarktanteil von knapp einem Drittel lag Europa damit auf dem zweiten Platz hinter den USA, deren Anteil sich auf über 40 Prozent belief.
Die Zahl der Patente spricht ebenfalls für die Innovationskraft der Branche. In Europa gab es im Jahr 2022 knapp 16.000 Anmeldungen, womit die technologische Entwicklung im Bereich Medizin auf dem zweiten Platz lag. Das Innovationspotenzial ist laut Robert Langer, Medizintechnik-Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit vieler Fachbereiche zurückzuführen: „Das Spektrum reicht von Chemie, Biologie und Physik über medizinische Teildisziplinen wie Immunologie, Molekularbiologie und Anatomie bis hin zu Ingenieurwissenschaften und Produktdesign.“ Der Fortschritt wird hier durch die Erkenntnisse der einzelnen Disziplinen beschleunigt.
Die neue MRT-Generation von Siemens Healthineers nutzt KI, um die Untersuchungszeit zu verkürzen und die Bildauflösung zu erhöhen
Diagnose und Behandlung chronischer Erkrankungen
Die neuen technischen Möglichkeiten führen dazu, dass chronische Erkrankungen potenziell früher erkannt und besser behandelt werden können – und das ohne großen Aufwand. Die Deutsche Herzstiftung weist beispielsweise darauf hin, dass schon jetzt einige Smart Watches bei der Diagnose von Herzrhythmusstörungen helfen können. Ein anderes Beispiel ist das israelische Unternehmen MetaFlow. Es hatte für seinen Stoffwechsel-Tracker Lumen eine wissenschaftliche Studie zur Wirksamkeit bei Prädiabetes in Auftrag gegeben. Forscher des Tel Aviv Sourasky Medical Center bestätigten, dass das Gerät helfen kann, die Faktoren für das Entstehen von Diabetes mellitus Typ 2 positiv zu beeinflussen. Von der Stoffwechselerkrankung sind laut der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 6 bis 8 Prozent der Weltbevölkerung betroffen.
Gleichzeitig wird nach weiteren Verfahren für die Diagnose und Behandlung von Diabetes gesucht. Sensoren, die den Blutzuckerspiegel dauerhaft auf oder unter der Haut erfassen, sind schon im Einsatz. An einer Kontaktlinse, welche die Blutzuckerwerte messen kann, wird dagegen bereits länger geforscht. Während das Pharma-Unternehmen Novartis zusammen mit dem Google-Mutterkonzern Alphabet die Entwicklung aufgegeben hatte, konnten Forscher der Stanford University und der koreanischen Pohang University durch den Einsatz anderer Materialien ein funktionsfähiges Modell herstellen.
Potenziale der minimalinvasiven Chirurgie
Gängig und gleichermaßen von Fortschritt sowie Innovationen geprägt ist die minimalinvasive Chirurgie. Sie ist in vielen Fällen geeignet, operative Eingriffe über natürliche Körperöffnungen oder kleine Schnitte vorzunehmen. Laut den Experten von Siemens Healthineers bestehen die Vorteile beispielsweise darin, Behandlungszeiten zu reduzieren, die Standardisierung von klinischen Prozeduren zu steigern und damit letztlich die klinischen Ergebnisse zu verbessern. Hier macht die technologische Entwicklung vieles möglich und unterstützt Chirurginnen und Chirurgen dabei, Eingriffe noch präziser und sicherer durchzuführen. Mit roboterassistierten Chirurgie-Systemen können in den Körper eingeführte Instrumente millimetergenau gesteuert werden. Durch die Integration räumlicher, hochauflösender Bilddarstellung wächst auch die Zahl der Möglichkeiten in den verschiedenen chirurgischen Disziplinen.
Reha-Support durch Technik
Nach Operationen, Verletzungen oder Krankheiten kann moderne Technik zu einer schnelleren Genesung beitragen. Dabei werden neue Verfahren mit bewährten kombiniert. Forscher des MIT haben beispielsweise ein Textil entwickelt, mit dem unter anderem „intelligente“ Schuhe für Patienten hergestellt werden können, die nach einer Verletzung das Laufen neu erlernen müssen. Dabei wurde die Präzision der eingenähten Drucksensoren durch die Herstellung des Stoffs mittels Thermoforming erheblich verbessert.
Reha-Roboter von Life Science Robotics können eine einmal angelernte Bewegung beliebig oft wiederholen und auf diese Weise Fachkräfte entlasten
Eine zügige Wiederherstellung von Körperfunktionen bzw. das Einüben von Kompensationsstrategien ist auch nach einem Schlaganfall das Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen. Exoskelette oder smarte Handschuhe können hier eine wichtige Unterstützung für die Patienten sein und gleichzeitig therapeutische Erkenntnisse liefern. Viele Möglichkeiten bieten zudem die robotergestützte Therapie und Mobilisierung von Patienten.
Der Reha-Roboter ROBERT des dänischen Unternehmens Life Science Robotics wurde auf Basis eines Leichtbauroboters von KUKA realisiert. Er unterstützt bei der aktiven sowie der passiven Mobilisierung, wird manuell durch eine Pflegekraft angelernt und kann den Bewegungsablauf im Anschluss selbstständig wiederholen.
Zukunft der Gesundheitstechnologien
Innovative Gesundheitstechnologien steigern die Lebensqualität sowohl im Alltag als auch während der medizinischen Behandlung. Für die Gesellschaft bieten sie die Chance, Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel oder einer steigenden Anzahl chronischer Erkrankungen zu begegnen. Grundlage hierfür sind unter anderem die Fortschritte bei Materialien, Sensoren und Energiequellen. Vor allem Wearables werden eine immer größere Rolle bei der Prävention spielen, werden noch präziser funktionieren und immer kleiner werden. Sie könnten irgendwann „unsichtbar“ sein, mit der Kleidung verschmelzen oder sich an den Körper anpassen, so Dr. Veena Misra, Direktorin des von der National Science Foundation finanzierten ASSIST-Zentrums für die Entwicklung von Wearables für die Gesundheit an der North Carolina State University. Auch andere Branchen werden laut MIT-Professor Robert Langer von diesen Innovationen profitieren: „Gesundheitstechnik sorgt heute schon für Fortschritt in zahlreichen Feldern – und wird in Zukunft ein noch größerer Innovationstreiber werden.“ So sorgt Technik wortwörtlich für einen gesunden Fortschritt.
Hier können Sie das Wevo-Magazin bestellen
Dieser Artikel ist Teil der Ausgabe #02 des Wevo-Magazins SCIO. Sie haben Interesse an einem gedruckten Exemplar? Dann können Sie das Magazin gerne kostenfrei anfragen*.
Zum Bestellformular
* Bestellung ohne Gewähr an offiziell registrierte Unternehmen mit Branchenbezug in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Anfragen werden per E-Mail beantwortet.
Bildnachweise: Bild 1: praetorianphoto, Bild 2: Goodboy Picture Company, Bild 3: Goffkein, Bild 4: Siemens Healthineers, Bild 5: Life Science Robotics ApS
Links zum Artikel
Unternehmen/Forschungsinstitute:
Harvard Medical School
Massachusetts Institute of Technology
Stanford University
Stanford University (Stanford Healthcare Innovation Lab)
Europäisches Patentamt
KUKA
Lumen
Siemens Healthineers
Personen:
Prof. Michael Snyder, Prof. Robert Langer
Haftungsausschluss (Auszug) – Urheber- und Leistungsschutzrechte: Die auf dieser Website veröffentlichten Inhalte unterliegen dem deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht. Jede vom deutschen Urheber- und Leistungsschutzrecht nicht zugelassene Verwertung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Anbieters oder des jeweiligen Rechteinhabers. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe von Inhalten in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien und Systemen. Inhalte und Rechte Dritter sind dabei als solche gekennzeichnet. Die unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe einzelner Inhalte oder kompletter Seiten ist nicht gestattet und strafbar. Lediglich die Herstellung von Kopien und Downloads für den persönlichen, privaten und nicht kommerziellen Gebrauch ist erlaubt. Die Darstellung dieser Website in fremden Frames ist nur mit schriftlicher Erlaubnis zulässig. Jedes hier genannte Firmen- oder Markenzeichen ist Eigentum der jeweiligen Firma. Die Nennung von Marken und Namen geschieht zu rein informativen Zwecken. Den vollständigen Haftungsauschluss finden Sie im Impressum.